
Die Elektromobilität in Deutschland kommt voran – aber langsamer als politisch erhofft. Während der Anteil batterieelektrischer Fahrzeuge bei Neuzulassungen steigt, dominiert im Bestand weiterhin der Verbrenner. Ein Bereich spielt dabei eine Schlüsselrolle, die häufig unterschätzt wird: die Unternehmensflotten.
Denn Firmenwagen, Leasingfahrzeuge und Poolautos sind längst nicht nur betriebliche Mobilitätsmittel, sondern einer der wichtigsten Hebel für den Markthochlauf der E-Mobilität.
Eine aktuelle Vergölst/Statista-Umfrage unter 500 Fuhrparkverantwortlichen zeigt, dass die Umstellung zwar Fahrt aufnimmt, aber noch nicht flächendeckend umgesetzt ist. Demnach verfügen 80 Prozent der Unternehmen über Flotten, in denen weniger als die Hälfte der Fahrzeuge elektrisch betrieben wird. Nur etwa 5 Prozent der Betriebe haben einen Elektroanteil von mehr als 75 Prozent. Dennoch planen fast 60 Prozent der Unternehmen, ihre Flotten innerhalb der nächsten drei Jahre auf alternative Antriebe umzustellen – ein Drittel davon bereits im kommenden Jahr.
Vor allem große Flotten treiben den Wandel voran: Rund 36 Prozent der Unternehmen mit mehr als 100 Fahrzeugen wollen kurzfristig komplett auf Elektroantriebe wechseln. Damit liegen gewerbliche Fuhrparks deutlich über dem Durchschnitt der Bevölkerung, in der Anfang 2025 laut Deutschlandatlas nur rund 3,3 Prozent aller Pkw rein elektrisch unterwegs waren.
Auffällig ist zudem der regionale Unterschied: In Städten ist der Anteil elektrischer Fahrzeuge deutlich höher als auf dem Land. Etwa die Hälfte der befragten Flottenmanager gab an, dass E-Autos in urbanen Gebieten stärker vertreten sind, während in ländlichen Regionen der Umstieg bisher zögerlicher verläuft. Ursachen dafür sind die bessere Ladeinfrastruktur, kürzere Fahrstrecken und lokale Förderprogramme.
Der Wandel zur E-Mobilität zeigt sich nicht nur bei Fuhrparkbetreibern, sondern auch bei Mobilitätsdienstleistern. Unternehmen wie Europcar oder große Leasinganbieter setzen zunehmend auf elektrifizierte Fahrzeugportfolios – von Mittelklassemodellen bis hin zu Transportern. Ziel ist es, gewerblichen Kunden den Einstieg in die Elektromobilität zu erleichtern und die Alltagstauglichkeit moderner E-Fahrzeuge erfahrbar zu machen.
Gleichzeitig verändert sich die Struktur von Unternehmensflotten selbst. Wie René Braun, CEO von NAVIT, im Podcast „Money & Mobility“ erläuterte, verschiebt sich der Fokus vieler Unternehmen weg vom Besitz hin zur flexiblen Nutzung verschiedener Mobilitätsformen.
Nicht jedes Unternehmen wird künftig eine Flotte im klassischen Sinn betreiben. Stattdessen kombinieren viele bereits heute Elektrofahrzeuge, Bike-Leasing, ÖPNV-Zuschüsse und Mobilitätsbudgets, um Mitarbeitenden mehr Auswahl zu bieten. Flexibilität werde zum entscheidenden Faktor – sowohl aus wirtschaftlicher Sicht als auch, um Fachkräfte zu binden.
Laut Braun treiben Unternehmen die Elektrifizierung ihrer Flotten nicht in erster Linie aus Umweltgründen voran, sondern weil Effizienz und Kostenkontrolle im Vordergrund stehen. Digitale Lösungen, automatisierte Abrechnungen und eine klare Kostenstruktur machen E-Mobilität planbarer und damit attraktiver.
Nachhaltigkeit werde so zum Nebeneffekt eines Prozesses, der ohnehin auf Effizienzoptimierung zielt. Dieser pragmatische Ansatz unterscheidet die Unternehmensflotten deutlich vom privaten Markt, in dem Kaufentscheidungen häufiger emotional getroffen werden.
Firmenfahrzeuge machen in Deutschland rund zwei Drittel aller Neuzulassungen aus. Damit haben Unternehmen einen direkten Einfluss auf die Verbreitung neuer Antriebstechnologien.
Je mehr Flotten auf Elektroantrieb umstellen, desto schneller entsteht ein funktionierender Gebrauchtwagenmarkt, und desto stärker sinken die Gesamtbetriebskosten für E-Fahrzeuge.
Zudem wirken gewerbliche Flotten als Multiplikator: Mitarbeitende, die im Berufsalltag ein E-Auto nutzen, übernehmen ihre Erfahrungen häufig in ihr privates Mobilitätsverhalten – ein Effekt, den Braun als „entscheidend für die gesellschaftliche Akzeptanz der Elektromobilität“ beschreibt.
Er betont außerdem, dass Mitarbeitermobilität historisch immer der Innovationsmotor der gesamten Mobilität gewesen sei – ob beim Flugverkehr, bei Bahnreisen oder Dienstwagen. Viele technologische Umbrüche begännen in Unternehmen und gelangten von dort in den privaten Alltag.
Rund 70 Prozent aller Ladevorgänge finden im privaten Umfeld statt – auch bei Dienstwagen. Das macht deutlich, dass betriebliche Ladepunkte allein nicht ausreichen. Unternehmen müssen Lösungen schaffen, um Heimlade-Kosten rechtssicher zu erstatten und Ladeprozesse digital abzubilden.
Gleichzeitig ist der Ausbau betrieblicher Ladeinfrastruktur eine Grundvoraussetzung. Viele Firmen investieren deshalb in intelligente Lastmanagementsysteme und Photovoltaik-Kombinationen, um Stromkosten zu senken und Netzkapazitäten zu schonen.
Politisch betrachtet sieht Braun Deutschland jedoch zu zögerlich in der Umsetzung. Während andere Länder beim autonomen Fahren oder beim flächendeckenden Ausbau von Ladepunkten längst Erfahrungswerte sammeln, herrsche hierzulande ein regulatorischer Flickenteppich. Er sieht die Gefahr, dass zu viel Bürokratie und zu wenig Pragmatismus den Transformationsprozess bremsen.
Neben ökologischen Zielen rücken zunehmend wirtschaftliche Argumente in den Vordergrund. Elektrofahrzeuge verursachen geringere Betriebskosten, benötigen weniger Wartung und profitieren von steuerlichen Vorteilen wie der 0,25-Prozent-Regelung.
Zudem wächst der Druck durch ESG-Kriterien und die CSRD-Berichtspflicht, Emissionen transparent zu dokumentieren. Unternehmen, die heute investieren, verschaffen sich also nicht nur Kostenvorteile, sondern auch eine bessere Ausgangsposition für künftige Nachhaltigkeitsanforderungen.
Braun verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass die Fahrzeugflotte oft der größte direkt beeinflussbare Emissionsfaktor eines Unternehmens sei – und damit ein greifbarer Ansatzpunkt, um Fortschritte sichtbar zu machen.
Während viele Diskussionen sich auf den Antrieb konzentrieren, verändert sich gleichzeitig die Art, wie Fahrzeuge genutzt werden.
Der typische Firmenwagen steht, wie Braun hervorhebt, rund 90 Prozent der Zeit ungenutzt. In Zukunft gehe es daher stärker darum, Auslastung und Effizienz zu erhöhen – etwa durch geteilte Nutzung, intelligente Buchungssysteme oder automatisierte Poolkonzepte.
Damit rückt nicht nur der elektrische Antrieb, sondern auch die Transformation der Nutzung in den Mittelpunkt.
Firmenflotten sind der entscheidender Hebel für die E-Mobilität. Sie bündeln Marktmacht, Investitionsvolumen und Signalwirkung. Jede Entscheidung über ein elektrisches Dienstfahrzeug beeinflusst nicht nur den eigenen Betrieb, sondern auch den Gebrauchtwagenmarkt, die Ladeinfrastruktur und letztlich die Akzeptanz in der Bevölkerung.
Wie René Braun betont, wird die Zukunft der Unternehmensmobilität hybrid, digital und flexibel sein. Sie verbindet Fahrzeuge, Energie und Software zu einem System, das Effizienz und Nachhaltigkeit nicht gegeneinander ausspielt, sondern miteinander verbindet.
Damit wird die Elektrifizierung der Flotten nicht nur zum technischen, sondern auch zum organisatorischen Wendepunkt – für Unternehmen und für die Mobilität insgesamt.
